„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ glaubt der deutschsprachige Volksmund. Zum Glück irrt er in diesem Fall. Das Jahrzehnt 2000 bis 2010 wurde zu Recht zum Jahrzehnt der Hirnforschung ausgerufen. So viele sensationelle Erkenntnisse wurden erzielt. Eine der wesentlichsten und erfreulichsten: Unser Hirn ist unglaublich plastisch und lernfähig. Tatsächlich lernt es immer unbewusst und entwickelt sich stets weiter.
Der klassische Lernprozess ist defizitorientiert:
Zunächst fällt uns gar nicht auf, dass wir etwas nicht wissen oder nicht können. Der erste ganz entscheidende Lernschritt ist der von der unbewussten zur bewussten Inkompetenz. Diese entscheidende Erkenntnis hat Sokrates in seinem berühmten Satz zusammengefasst:
„Ich weiß, dass ich NICHT weiß.
Viele wissen nicht einmal das.“
Im Idealfall weckt diese Erfahrung des Nichtkönnens Neugierde und bewusstes Lernen. Es entstehen bewusste Kompetenzen, die am Beginn noch etwas holprig wirken. Immer wieder fallen wir in die bewusste Inkompetenz zurück. Am Beginn ist das Neue noch fehleranfällig. Wenn uns auffällt, dass wir in unsere alten, vertrauten Muster zurückgefallen sind, sollte uns das bestärken,
dass wir auf dem richtigen Weg sind. Durch wiederholendes Trainieren des neu Erlernten geht es allmählich „in Fleisch und Blut über“. Wir verinnerlichen unsere Kompetenzen, sie werden uns so selbstverständlich, dass sie automatisiert ablaufen und selbst unter Stress funktionieren. Dann haben wir das Stadium der unbewussten Kompetenz erreicht.
„Unwissend sind nicht diejenigen, die nichts wissen,
sondern diejenigen, die schon glauben zu wissen.“
Kontraproduktives Halbwissen
Weit verbreitet ist der Dunning-Kruger-Effekt: inkompetente Menschen sind sowohl inkompetent, ihre Inkompetenz zu erkennen – und als auch, die Kompetenz anderer zu würdigen.
Überschätzung der eigenen Kompetenz und übersteigertes Selbstvertrauen sind daraus die Folge. Zunächst gilt es die Kompetenz aufzubauen, sich der eigene Inkompetenz zu stellen und die Kompetenz anderer anzuerkennen. Darauf aufbauend, kann man sich dann
die Kompetenz aneignen. Für diese Erkenntnisse haben David Dunning und Justin Kruber den satirischen Ig-Nobelpreis 2000 erhalten, mit dem wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet werden, die zunächst zum Schmunzeln anregen und erst dann ihren Tiefgang erkennen lassen. Mit den Worten von Bertram Russel:
„Es ist ein Jammer,
dass die Dummköpfe so selbstsicher
und die Klugen so voller Zweifel sind.“
Auch das Lukrez-Phänomen führt dazu, dass viele alles zu wissen glauben. Titus Lucretius Carus – deutsch Lukrez
„Ein Narr ist, wer glaubt,
der höchste Berg der Welt sei der,
den er je gesehen hat.“
Das führt zur eigenen Selbstüberschätzung:
„Ich weiß alles, was ich weiß.
Also weiß ich alles.“
Augenzwinkernd kann man Halbwissende wachrütteln:
„An alle, die wissen, wie der Hase läuft.
Er hoppelt.“
Paradigmenwechsel des Lernens
Von daher ist der springende Punkt bei gewünschten Verhaltensänderungen: Wenn Sie sich dabei ertappen, dass Sie wieder das alte unerwünschte Muster leben, klopfen Sie sich bitte anerkennend auf die Schulter: offensichtlich haben Sie bereits die entscheidende Kompetenz des Erkennens erworben und Sie sind unterwegs im Lernprozess!
Souverän 1.0 wollen wir alles wissen und können, fehlerfrei und makellos perfekt funktionieren. Dieses Logik fördert Lernmuffel, für die noch lernen zu müssen den Makel beinhaltet, noch nicht „ausgelernt“ zu haben.
Souverän 2.0 geht es darum stimmig zu agieren, inkl. Fehlern und Makel. Da haben wir den Mut zur Demut: Es fällt uns kein Stein aus der Krone, wenn wir etwas noch nicht wissen. Für die gilt der Sokrates’sche Grundsatz:
„Die Klugen lernen von allem und jedem/jeder.
Die Normalen lernen aus ihren Erfahrungen.
Die Dummen wissen alles besser.“
Statt „Wer dumm ist, muss noch lernen.“ gilt „Je mehr man weiß, desto mehr kann man lernen.“ Gerade weil ich schon so viele Fische kenne, kann ich erkennen und nachschlagen, wenn ich Fische sehe, die ich noch nicht kenne und so dazu lernen. Im Stadium „viele bunte Fische“ habe ich dazu keine Chance. Daher:
„Je buchtenreicher die Landkarte unseres Wissens,
desto mehr neues Wissen kann andocken.“
Bewusste Kompetenzen trainieren & zur unbewussten Kompetenz verinnerlichen
Nach dem Erkennen, dass BISHERIGE Verhaltensweisen bzw. Sprach- und Denkgewohnheiten in der jetzigen Lebenssituation kontraproduktiv sind, ist der nächste Schritt, sich zu überlegen, mit welchem neuen Verhaltensmuster Sie das bisherige ersetzen wollen. Da unser Hirn nicht NICHT denken kann – „Denken Sie an KEINEN rosa Elefanten“ bewirkt, dass wir uns einen rosa Elefanten vorstellen – kann es nicht funktionieren, wenn Sie sich z.B. vornehmen ich möchte NICHT mehr „ABER“ sagen oder ich möchte „ICH MUSS“ auf meinem Wortschatz streichen. Daher verfolgt die 50-teilige Toolbox in unseren beiden Büchern „leistungsstark & lebensfroh“ das Prinzip, dass wir Ihnen jeweils Alternativen bieten. So laden wir Sie im Tool Nr. 37. ein, „ABER“ durch „einerseits UND andererseits“ zu ersetzen und im Tool Nr. 15 „Ich entscheide mich …“ und „Mir ist es wichtig …“ statt „ich muss …“ zu denken und zu sprechen.
Zunächst haben wir die neuen Verhaltensmuster noch nicht verinnerlicht.
Es braucht willentliches darauf Achten – und es fühlt sich ungewohnt und damit noch nicht stimmig an. Die Phase der bewussten Kompetenz braucht noch ca. 1 Monat Aufmerksamkeit, bevor wir neue Verhaltensweisen verinnerlichen. Dabei fallen wir immer wieder in alte Verhaltenweisen zurück. Freuen Sie sich über das Erkennen. Das ist bewusste Inkompetenz. Sie sind auf dem Weg von der bewussten zur nachhaltigen unbewussten Kompetenz.
Tipps für das Lernen neuer Verhaltens-, Denk- und Sprachmuster:
- Es braucht eine bewusste Entscheidung, der ideale Zeitpunkt dafür ist JETZT.
- Setzen Sie einen konkreten 1. Schritt innerhalb von 72 Stunden z.B. Jemanden etwas erzählen, etwas lesen, recherchieren, Termin(e)
eintragen, etc. - Konkretisieren Sie Ihre Veränderungsvorhaben, auf die Sie in den nächsten 4 bis 6 Wochen BEWUSST ACHTEN:
So empfehlen wir den LeserInnen unserer Bücher und TrainingsteilnehmerInnen empfehlen wir Sie könnten sich 1 bis 3 Tools aus der Toolbox „leistungsstark & lebensfroh“ des Monats wählen, die Sie im nächsten Monat für sich präsent halten wollen. Dazu könnten Sie sich noch sichtbare Erinnerungen z.B. in Form von Bildern oder Sprüchen in den unterschiedlichen Lebensbereichen aufhängen.
Oder Sie könnten am Wecker oder Handy ein Klingelzeichen wählen, das Sie an ein Vorhaben erinnert. - Üben Sie an sich selbst verständnisvolle, wertschätzend-empathische, konstruktive Selbstkritik: Statt sich über sich selbst zu ärgern, warum Sie schon wieder nicht … wäre es viel klüger die Frage zu stellen: Wie möchte ich das ab jetzt und zukünftig anders nämlich NOCH besser machen.
- Suchen Sie sich vertrauensvolle Sparing-PartnerInnen, die gemeinsam mit Ihnen die Veränderung anstreben. Dann können Sie sich gegenseitig in spielerischer Leichtigkeit daran erinnern. Sie könnten dann z.B. vereinbaren für jedes „ins alte Muster gerutscht“
einen Strich zu machen und wer nach einem Monat weniger Striche hat, darf sich den Film bei einem gemeinsamen Kinoabend aussuchen oder derjenige der mehr Striche hat zahlt bei einem gemeinsamen gemütlichen Treffen eine Runde Getränke. Kinder sind übrigens mit ihrer genauen Beobachtungsgabe geniale Feedback-GeberInnen.
Nicht nur Kinder lernen spontan
Häufig findet auch spontanes Lernen statt. Es fällt uns gar nicht auf, dass wir einen wesentlichen Lernschritt bewältigt haben. Das neue Können ist einfach da. Kinder lernen in dieser natürlichen Weise. Das Lernen durch spontane Imitation von Vorbildern funktioniert in dieser Weise. Im häufigen Probieren, Tun und Trainieren geht plötzlich der berühmte Knopf auf.
Achtung: es wäre nicht klug, einfach darauf zu warten, bis es soweit ist. Sie sollten schon dem Glück eine Chance geben indem Sie es durch bewusstes Lernen und Übernehmen von Erfolgsstrategien anderer (siehe oben beschriebenen Lernprozess) unterstützen. Rolf Kauka, Schriftsteller und bekannt als Zeichner von „Fix und Foxi“ formuliert es:
„Mein Erfolgsrezept ist einfach:
zehn Prozent Inspiration,
neunzig Prozent Transpiration.“
High Performance Lernen: Stärken stärken
Im High Performance Coaching steht das Lernen aus Erfolgen und das Stärken von Stärken im Vordergrund. Erst wenn wir uns unbewusste Kompetenzen bewusst machen, können wir sie gezielt abrufen und (selbst-)bewusst nutzen. Mit den Worten von Konfuzius:
„Zu wissen, was man weiß,
und zu wissen, was man tut,
das ist Wissen.“
Gregor Adamczyk zitiert in seinem Buch „Storytelling: Mit Geschichten überzeugen“ die Definition von Stärke, getroffen von Marcus Buckingham und Donald O’Clifton:
„Stärke ist die beständige hohe Leistung in einer Tätigkeit.
Sie ist abrufbar & wiederholbar.
Der Mensch geht ganz darin auf und sie macht glücklich.“
Schließlich sind die ProtagonistInnen von Geschichten Menschen, die über besondere Stärken verfügen und diese gezielt nutzen können.
Es gilt auch das Prinzip vom Physiker und Judolehrer Moshé Feldenkrais, dem Begründer der nach ihm benannten Feldenkrais-Methode:
„Nur wenn ich weiß, was ich tue,
kann ich tun, was ich will.“
Moshé Feldenkrais ging davon aus, dass ein Mensch nach dem Bild handelt, das er sich von sich macht. Wenn man diese Denkmuster erkennt, kann man sie bewusst reflektieren und adaptieren. In unserem Bildungssystem wird nur wenig Augenmerk dem Wahrnehmen und Analysieren von (Teil-)Erfolgen gewidmet.
Mehr von dem tun, das sich bewährt hat
Um unbewusste Kompetenzen zu identifizieren sind folgende Fragen hilfreich:
- Was hat meine bisherigen Erfolge ermöglicht?
- Was sind meine persönlichen Stärken?
- Mit welchen Strategien war ich bisher erfolgreich?
- Was kann ich mir aus den bereits erzielten Erfolgen als Erfahrungen mitnehmen, um damit zukünftig Hürden zu meistern und Ziele zu erreichen?
Wenn ich durch solche Lernstrategien Bewusstheit über meine Kompetenzen gewinne steigert das einerseits mein Selbst-Bewusstsein d.h. das wertschätzend-realistische Bild von mir und meiner Leistungsfähigkeit. Aus dem kann ich die fundierte Zuversicht gewinnen, auch zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Andererseits ermöglicht das Wissen um mein Wissen und meine Fertigkeiten, dass ich diese ausbaue, vertiefe, kultiviere und vor allem gezielt einsetze. Diese gestärkten Stärken gilt es dann wieder zu verinnerlichen.
Stärken stärken hat die höhere Priorität
Wenn Sie sich zu sehr mit den sogenannten Schwächen beschäftigen, stärken Sie die Schwächen und schwächen Sie die Stärken: einerseits vermehrt es die Unsicherheit, aus der heraus wiederum Schwächen entstehen, und andererseits ziehen sie viel Aufmerksamkeit auf die Defizite, eine Energie, die so im Leben der Stärken fehlt.
Im März 2013 veröffentlichten Jack Zenger und Joseph Folkman im Harvard Business Review “The Ideal Praise-to-Criticism Ratio”. In einer Studie untersuchten Sie, welches Verhältnis von positivem zu negative Feedback am meisten Verhaltensänderung und Lernen bewirkt. Am meisten Wirkung zeigte ein Verhältnis von mehr als 5 mal so viel bestärkender als korrigierender Rückmeldung.
Lustvoll und damit nachhaltig lernen
Dr. Gerald Hüther, Professor für Neurobiologe, Leiter der Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen und des Instituts für Public Health der Universität Mannheim/Heidelberg hat in seiner langjährigen Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Entwicklungsneurobiologie erkannt: Nur wenn wir mit guten Gefühlen lernen, lernen wir nachhaltig und können wir das erworbene Wissen auch zukünftig kreativ einsetzen. Wenn wir Inhalte unter Druck und in einem negativen emotionalen Kontext lernen, können wir es kaum für kreative Problemlösungen einsetzen. Stress und Angst schaltet unser Hirn in den Überlebensmodus. Es geht um kurzfristiges Kämpfen, Flüchten oder Erstarren. Den idealen Lernzustand können wir von kleinen Kindern lernen, die in herzhafter Neugierde, Dinge be-greifen wollen, wie ein wissensdurstiger Schwamm Informationen verinnerlichen und mit beharrlich-leidenschaftlichen WARUM-Fragen Hintergründe erforschen.
Inspirieren statt belehren
Gerne unterstützen wir die Aussage von Henri Frédéric Amiel:
„Zu wissen, wie man anregt, ist die Kunst des Lehrens.“
Oder in unserer Sprache: Wir setzen Impulse. Sie entscheiden, welche Sie aufgreifen und damit Sinnvolles, Nützliches, Freudvolles bewirken möchten.
HIN-Bildung statt Fort-Bildung
Wenn man sich zu sehr mit den Schwächen beschäftigt, stärkt man die Schwächen und schwächt man die Stärken. Zieht man doch die Aufmerksamkeit von sich selbst und den anderen von den Stärken auf die Schwächen. Einer Kuh Rückenschwimmen beizubringen, wäre eine Fortbildung. Einen Pinguin zu ermutigen, in seinem Element Wasser die Feinheiten seiner Schwimmkünste zu verfeinern, ist hingegen eine sinnvolle HIN-Bildung. Und darum habe ich mich jetzt zu einer Humor-Weiterbildungs-Lehrgang angemeldet und werde mir einen Schreib-Coach leisten. Davon erwarte ich mir, dass mir meine unbewussten Kompetenzen noch bewusster werden und ich sie so theoretisch fundieren und weiter entwickeln kann. Schließlich ist „NOCH BESSER“ die Steigerung zu „SCHON GUT“.
Siehe auch meine Blogs:
-
HIN-Bildung statt Fort-Bildung: Vom Alten lernen Neues zu machen
-
„Frei raus!“ Ein Theater-Stotterstück als humorvoll-tiefgründiges, inspirierendes Weihnachtsgeschenk
Vielleicht wollen Sie auch in meinen Themen-Feldern schmökern:
Über: Monika Herbstrith-Lappe
Geschäftsführende Unternehmerin von Impuls & Wirkung – Herbstrith Management Consulting GmbH, High Performance Coach, Keynote Speaker, Top Trainerin, Certified Management Consultant, Autorin von Büchern und Fachartikeln
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