Selbst 1961 geboren zähle ich zu den „Baby-Boomern“ und den „Digital Migrants“. Doch mit den „Digitalen IndividualistInnen“ der vielzitierten Generation Y und Z bzw. Millennials weise ich mehr Ähnlichkeiten auf als diese mit den gleichaltrigen „Adaptiv-Pragmatischen“ oder „Konservativ-Bürgerlichen“. Als 22-jährige habe ich erlebt, was es heißt, sich als junger Mensch Gehör bei deutlich Älteren zu verschaffen. Jetzt erfahre ich, wie unsere Kultur auch ältere Menschen mit Vorurteilen versieht und ihre gesammelten Kompetenzen nicht angemessen würdigt.

Im Sinne der Volksweisheit

„Junge Menschen laufen schneller
und ältere kennen die Abkürzungen.“

appelliere ich die Erfahrungsschätze  älterer UND den frischen Wind jüngerer Menschen sinnvoll miteinander zu kombinieren.

Senioritätsprinzip – noch aktuell?

Im Urlaub hat mir der Diveguide auf dem Schiff eine Liebeserklärung erteilt. Freudestrahlend hat er mich dabei angeschaut: „You are my Mama!“ Und ich habe zunächst geschluckt. Dann habe ich mich reflektierend dabei ertappt, dass es für mich wenig attraktiv ist, der Müttergeneration anzugehören. Früher haben Diveguides mit mir geflirtet. Schnell, habe ich einen Perspektivenwechsel vorgenommen. Der Diveguide war 28 Jahre jung – tatsächlich fast gleich alt wie meine erstgeborene Tochter. Und in Indonesien hat Familie und auch die Mutterrolle einen ganz anderen Stellenwert als in unserer westlichen Kultur. Am Ende des Tauchurlaubs haben mich alle Mitglieder der Crew nur mehr Mama gerufen. Und ich habe es als Auszeichnung verstanden und mich darüber gefreut.

Mittlerweile kann es mir leicht passieren, dass ich auf dem Tauchschiff die Älteste bin. Das ist für mich gewöhnungsbedürftig. Allerdings erfahre ich auch die positive Seite meiner Seniorität: Es spricht sich schnell herum, dass es meine Taucherfahrung mit sich bringt, dass ich bzgl. der Unterwasser-Lebenswelt in den Korallenriffen sehr kundig bin. „Frage Monika, welches Tier das sein könnte.“ höre ich dann immer wieder auf dem Tauchschiff. Und da wir nur erkennen können, was wir kennen, zeige ich Tauch-AnfängerInnen immer wieder einzelne auffällige Fische, die sie dann aufmerksam tauchend entdecken können. Nach dem Tauchgang bekomme ich dann freudige Rückmeldungen: „Monika, ja wirklich, ich habe den Schachbrettjunker und den Palettenstachler gesehen, die du mir gezeigt hast. Kannst du mir bitte weitere Fische zeigen, die es hier gibt?“  So bilden wir höchst sinnvolle Symbiosen: Junge Menschen helfen mir, wenn ich mir rückenschonend Teile meiner Ausrüstung tragen lasse oder beim Aus- & Einstieg nicht mehr ganz so gelenkig bin. Dafür bin ich abgetaucht „Fisch im Wasser“ und meine erfahrenen Augen machen viele Entdeckungen, die ich gerne mit anderen teile.

Mein positives Senioritäts-Ansehen auf Tauchschiffen ist leider die Ausnahme. Unsere westliche Leistungsgesellschaft ist weltweit die erste menschliche Gemeinschaft, die nicht mehr das Senioritätsprinzip kultiviert. In allen bisher existierenden Kulturen außer der unseren  genießen ältere Menschen das Ansehen der jüngeren, die sich an den SeniorInnen orientieren. Bei uns ist dies gekippt. Wir leben einen Jugendkult: Bis ins hohe Alter orientieren wir uns an den Jugendlichen. Das negative Image des Älterwerdens könnte gesellschaftlich fatale Folgen haben …

Unsere Welt der Umbrüche braucht Vielfalt

Bei der Vermögensanlage ist Diversifikation ein zentrales Prinzip: Um das Risiko der ungewissen Marktentwicklung abzusichern, soll das Geld in möglichst unterschiedlichen Formen veranlagt werden. Monokultur in der Personalpolitik von Unternehmen ist genauso ein hohes Risiko in unserer Welt der Umbrüche mit hohem Grad an Ungewissheit. Gemischte Teams mit unterschiedlichen Kompetenzen sind viel besser ausgestattet, um zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Homogenität ist spezialisiert. Heterogenität macht innovativ. Johann Wolfgang von Goethe:

„Das Gleiche lässt uns in Ruhe,
der Widerspruch ist es, der uns kreativ macht.“

Zukunfts-fitte Teams brauchen daher verbindende Gemeinsamkeiten und bereichende Unterschiedlichkeiten. Das gilt für alle Kategorien von Unterschiedlichkeit u.a. auch für jüngere und ältere Menschen.

Zu tiefst bin ich überzeugt:

„Vielfalt macht vieles vielleichter
– und dadurch viel leichter.“

Deshalb habe ich es als Motto meines Möglichkeits-Meeres gewählt.

Siehe auch den Blog „HIN-Bildung statt Fortbildung: Vom Alten lernen Neues zu machen“

Erfahrene AnfängerInnen

In diesem Blog ist auch die Haltung von „Erfahrenen AnfängerInnen“ beschrieben: Erfahrungsschätze nutzen UND mit Lernbereitschaft kombinieren. Die Innovation findet im Umfeld statt. „Was bleibt gleich und was wird anders?“ gilt es zu differenzieren. „Was meiner bisherigen Erfolgsstrategien bewahre ich mir daher und welche Adaptionen sind erforderlich?“ gilt es daraus abzuleiten. Das braucht den Mut zur Demut: Das Selbstvertrauen & -bewusstsein aus den erworbenen Erfahrungsschätzen UND die Offenheit des Neubeginns – das Risiko des Stolperns & Irrens eingeschlossen.

Im Buch Anfänger-Geist vom Zenmeister Shunryû Suzuki Rôshi heißt es dazu:

„Bewahre dir einen forschenden Geist
& klebe nicht an dem, was du schon weißt.“

und:

„Im Geiste der AnfängerInnen gibt es mehr Möglichkeiten
als im Geiste der ExpertInnen“

Daher sollten wir die Benedikterregel wieder aufleben lassen. Die Tugend des Gehorsam bedeutete ursprünglich die Verpflichtung einander Gehör zu schenken. Äbte waren verpflichtet, die Meinungen und Sichtweisen junger Mönche in der Entscheidungsfindung zu hören – und erfahrene Mönche beratend einzubinden.

„Lasst uns arbeiten wie Kinder spielen“

ist meine Devise, um spielerische Leichtigkeit, fokussierte Aufmerksamkeit, freudvolles Erkunden und beglückenden Flow in unsere Arbeitswelt zu bringen. „leistungssstark & lebensfroh“ ist nicht nur der Titel unseres Buches sondern unseres ganzen Konzepts.

Siehe auch den Blog: „Gamification: Herausforderungen spielerisch meistern“

Wabi-Sabi: Schönheit jenseits der Perfektion

Auf der Gesundheits-Konferenz mit dem Thema „Schöheit zwischen Wahn & Wirlichkeit“ habe ich die Wirklichkeit verkörpert. Mein Beitrag war betitelt: „Mich schön finden – auf Basis von Selbstvertrauen und strahlendem Lächeln“. Meine Schönheit nicht in der Bewunderung anderer finden sondern in mir ruhend. Dabei habe ich auch den in Facebook kursierenden Spruch zitiert:

„Eine Gesellschaft, in der Lachfältchen mit Nervengift weggespritzt werden,
sollte ihre Werte überdenken.“

Das hat mir einen Szenenapplaus beschert – und giftige Blicke der ebenfalls am Podium sitzenden Schönheitschirurgin. Tatsächlich ist es Aufgabe der Werbung, das Selbstvertrauen & -bewusstsein der Menschen zu untergraben und so den Konsum anzukurbeln.

In Japan gibt es hingegen das ästhetische Konzept des Wabi-Sabi. Patina verleiht den Gegenständen Schönheit. Eine Tasse wird durch einen Sprung aufgewertet, weil sie dadurch einzigartig wird. Und so ermutige ich mich und andere, zu den Zeichen des Älterwerdens zu stehen und sie als Ausdruck der Erfahrungsschätze zu würdigen.

Siehe auch die Blogs:

Übrigens: Menschen mit gut gepflegten Beziehungen haben ein nur halb so großes Risiko im nächsten Jahr zu sterben als gleichaltrige einsame Menschen.
Siehe auch den Blog „Beziehungen als gesunder Nährboden“

Mein mich sehr prägender Vater, höchst engagierter und innovativer Sonderschuldirektor in Gloggnitz hat in seinem gar-nicht-Ruhestand als Obmann des „Literaturkreises Schwarzatal“ fungiert. Eines meiner Lieblingsgedichte von ihm trägt den Titel

„Lasst uns Brücken spannen“.

Sie können es hier lesen.

Über: Monika Herbstrith-Lappe

Geschäftsführende Unternehmerin von Impuls & Wirkung – Herbstrith Management Consulting GmbH, High Performance Coach, Keynote Speaker, Top Trainerin, Certified Management Consultant, Autorin von Büchern und Fachartikeln