Christoph Wirl, Herausgeber vom Magazin TRAiNiNG hat mit Veronika Aumaier und mir ein Interview geführt, worin die Herausforderungen für Führungskräfte aktuell liegen und was exzellentes Leadership ausmacht.
Meine zentrale These:
Self-Leadership ist die Voraussetzung für Leadership,
um das Self-Leadership der anvertrauten Menschen zu fördern.
und:
Eigen-Motivation gezielt zu fördern,
ist die Führungsaufgabe mit der größten Hebelwirkung
C.W.: Mit welchen Herausforderungen sehen sich Führungskräfte aktuell konfrontiert?
In vielen Unternehmen ist der Grad an Ungewissheit und Komplexität höher als es für die Neurobiologie menschlicher Hirne gut ist. Darunter leiden die Verstehbarkeit – die Orientierung wo stehe ich und wo geht es hin, was sind die nächsten Schritte – und die Handhabbarkeit – wie kann ich selbstwirksam auf das Geschehen Einfluss nehmen und welche Auswirkungen hat mein Handeln. Das sind zwei Säulen des gesundheitsfördernden Kohärenzsinnes von Aaron Antonovsky. Dann bleibt nur noch die dritte Säule die Sinnhaftigkeit: „Wofür stehen wir?“ „Was macht unser Schaffen sinnvoll?“ „Was ginge verloren, wenn wir unseren Job nicht oder nicht gut machen würden?“ „Was ist unser Beitrag für eine bessere Welt?“ Und auf das Individuum heruntergebrochen: „Was macht meine berufliche Lebenszeit zu sinnvoller Lebenszeit?“ Laut aktuellen Studien in Deutschland hat insbesondere bei jüngeren Generationen der Wunsch nach Zugehörigkeit ab- und das Verlangen nach Sinnhaftigkeit zugenommen. Um Fluktuation entgegenzuwirken kann man daher nicht mehr auf Loyalität bauen, sondern gilt es das „WOFÜR“ zu vermitteln. Viele psychologische Studien belegen die Wirkmächtigkeit der Sinnvermittlung durch einfache sprachliche Interventionen. „Das ist wichtig, weil …“ „Wir machen das für …“ „Wir brauchen das, um zu …“ „Wir gehen diesen Weg, damit …“ „Wir haben uns so entschieden, weil diese Vorteile diese Nachteile überwiegen.“ etc.
Der japanische Begriff IKIGAI bedeutet wörtlich „Lebens-Wert“ oder weiter gefasst „Wofür es sich zu leben lohnt?“ Diese Jahrhunderte alte Sinnphilosophie geht davon aus, dass jeder Mensch seinen spezifischen Platz im Leben hat, den es zu finden gilt. Von zentraler Bedeutung ist die Passung von dem, was man gut kann mit dem, was man liebt, die Welt braucht und wofür man bezahlt wird. Aktuelle Studien zeigen hoch signifikant wie sehr es die Gesundheit fördert und die Lebenserwartung erhöht, wenn man sein IKIGAI gefunden hat und auch leben kann.
In eine ähnlich gehen auch die „Purpose Driven Organizations“. Sie fördern sowohl die emotionale als auch die sachlich-inhaltliche Dimension: Einerseits befriedigen sie den Wunsch etwas Sinnvolles zu schaffen und andererseits fördern sie die Orientierung zur Ausrichtung des Handelns.
C.W.: Wie werden Führungskräfte von Mitarbeitern erlebt? Worauf wird geachtet?
Nicht hat mehr Einfluss auf Motivation und Produktivität der Mitarbeitenden als das Verhalten der direkten Führungskraft in kritischen Situationen. Eine Gallup-Studie mit mehr als 1 Million Personen hat ergeben, dass 75 % der Kündigungen wegen der Führungskraft und nicht wegen der Funktion oder mangelnden Kommunikation erfolgen. Sie bestätigt:
„People join companies and leave bosses“.
Eine deutsche Studie belegt, welch hohen Schaden übellaunige Chefs für die Unternehmen und damit für die Volkswirtschaft verursachen. Eigen-Motivation zu fördern halte ich daher als die Führungsaufgabe mit der größten Hebelwirkung.
C. W. Warum sind FK immer auch Vorbild, auch wenn Sie sich gerade nicht mit den Mitarbeiter:innen beschäftigen?
Führen mit Command and Control hat zunehmend ausgedient. Menschen zu Höchstleistungen zu führen, Kreativität und damit Innovationskraft zu fördern, Distance Leadership etc. braucht als Nährboden Vertrauen. Und Vertrauen lässt sich nicht verordnen, dass kann man nur gewinnen. Wenn sich Menschen mit Ecken und Kanten zeigen, dann können andere Vertrauen fassen. Jemand, der sich distanziert oder aalglatt verhält, können wir nicht einschätzen. Neurobiologisch ist Empathie die Voraussetzung für vertrauensvolle Beziehungen. Darum ist es auch durchaus förderlich, dass man bei virtuellen Meetings Einblicke in den persönlichen Lebensraum bekommt. Sei es ein vorbeihuschender Katzenschwanz, eine Kinderstimme oder die Bank im Garten
C. W.: Wie können Führungskräfte zu strahlenden Vorbildern werden?
Charismatisches Leadership braucht Self-Leadership. Im wahrsten Sinne des Wortes Lebens-FÜHRUNG – in der beruflichen und auch in der privaten Lebenszeit. Vertrauen bricht, wenn Reden, Körpersprache und Mimik sowie Handeln widersprüchlich sind. Für unsere Vorfahren war es lebenswichtig, zwischen Freunden und getarnten Feinden zu unterscheiden. Wir besitzen daher eine extrem feine Wahrnehmungsfähigkeit für Inkongruenzen und Dissonanzen. In Online-Meetings geht zwar viel von der Körpersprache verloren, dafür sehen wir Mimik und insbesondere auch die Augen der Sprechenden noch größer. Von daher können wir bewusst und vor allem auch unbewusst noch eher erkennen, ob jemand etwas behauptet oder wirklich verinnerlicht und verkörpert. Selbstvertrauen schafft die Voraussetzung den Mut aufzubringen, sich in seiner Einzigartigkeit inkl. seiner Eigenartigkeit zu zeigen. Genau das unterscheidet großartige Protagonisten von platten und unglaubwürdigen Schauspielern. Kant formuliert auch
„Die Würde des Menschen ist seine Einmaligkeit.“
Wer unverwechselbar ist und aus der Masse heraussticht, hat größere Chancen auf Erfolg. Die Grundidee von Personal Branding ist, dass die Persönlichkeit zu einer attraktiven Marke wird. Die Basis dafür sind einige grundlegende Fragen
- Was charakterisiert mich?
- Wofür engagiere ich mich?
- Was ist mein Beitrag für die Gemeinschaft?
- Wie möchte ich gesehen werden?
Je besser es Ihnen gelingt, diese Fragen individuell zu beantworten, desto unverwechselbarer werden Sie. Besonders wichtig ist, dabei stets die übergeordnete Frage mitzudenken:
- Was kann ich über mich sagen, was andere nicht so über sich sagen können?
C.W.: Stichwort: „Führen aus der Distanz“ – wie ist es hier möglich, eine starke Vorbildfunktion einzunehmen?
Im Home Office vermischt sich berufliche mit privater Lebenszeit. Es ist noch schwieriger, Beruf und Arbeit zu trennen. Das braucht eine gesunde „Life-in-Balance“: eine kluge Balance zwischen den und innerhalb der beruflichen und privaten Lebensbereiche – zwischen Leistungsstärke und Regeneration, Spaß und Disziplin, engagierter Identifikation und souveräner Gelassenheit.
Viele assoziieren mit „Work-Life-Balance“ weniger arbeiten. Auch Lessing hat schon gemeint: „Vergnügen ist so wichtig wie die Arbeit.“ Doch Menschen brauchen Vergnügen in der privaten und der beruflichen Lebenszeit. Der Piornier der Glücksforschung Csíkszentmihályi hat das Paradoxon des Flow-Erlebens erkannt, dass durch unser gesellschaftliches Konstrukt der Abwertung von Arbeit entsteht: Wir erleben in der beruflichen Lebenszeit mehr beglückende Flow-Erlebnisse als in der Freizeit und glauben dennoch, dass Freizeit freudvoller ist als Arbeit.
Unser Gehirn ist gebaut für die Freude am Schaffen. Das Aufblühen oder Flourishing der Positiven Psychologie erfahren wir, wenn wir Potentiale entfalten, indem wir Herausforderungen meistern. Die hohe Kunst des Leaderships ist es, Mitarbeitenden zu fordern ohne sie zu überfordern. Von zentraler Bedeutung ist es, Erfolgs-Erleben zu fördern. Die Pionierin für hirngerechtes Arbeiten Vera Birkenbihl hat schon vor vielen Jahren die These aufgestellt: „Menschen brauchen Ball-im-Tor-Erlebnisse“. In der Ausbildung zum Kinder- und Jugendfußballtrainer wird daher auch gelehrt, dass jedes Kind sein eigenes Tor braucht, um viele unmittelbare Erfolge zu erzielen. Erst wenn sie älter sind, spielen sie gegeneinander mit nur wenigen Tor-Treffern. Wie das Tor aussieht ist zwar egal. Aber es reicht nicht, mit zwei Schuhen das Tor zu markieren. Denn:
„Das Tor muss zappeln.“
Dieses Phänomen erklärt auch das Suchpotential von Computer-Spielen: Sie ermöglichen unmittelbare Erfolgserlebnisse. Playful Leaderhip ist ein lohnender Ansatz, um das was Spiele so reizvoll macht, auch zu nutzen, um die Arbeitswelt attraktiver zu gestalten.
Distance Leadership und agile Arbeitsweisen funktionieren nur so und es ist auch zu tiefst hirngerecht: Self-Leadership als Voraussetzung für Leadership, um das Self-Leadership der Mitarbeitenden zu fördern. Flow fördert gleichermaßen Arbeitsfreude wie Schaffenskraft. Als Führungskraft kann man Flow im Team am besten fördern, indem man selbst im Flow arbeitet. Den Mitarbeitenden sollte man Gestaltungsmöglichkeiten übertragen, die möglichst gut zu den Fähigkeiten und dem individuellen Wunsch nach Balance zwischen Freiheit und Orientierung passen. Im Supportive Leadership ist die zentrale Frage bei auftretenden Schwierigkeiten: „Was kannst du zur Problemlösung beitragen und welche Unterstützung benötigst du dazu von mi
Den finalen Artikel finden Sie hier: Vorbildliche Führung
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z.B. im Themenabschnitt „(Self-)Leadership: Sich selbst & andere auf Erfolgskurs führen“
Über: Monika Herbstrith-Lappe
Geschäftsführende Unternehmerin von Impuls & Wirkung – Herbstrith Management Consulting GmbH, High Performance Coach, Keynote Speaker, Top Trainerin, Certified Management Consultant, Autorin von Büchern und Fachartikeln
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